Samstag, 18. Februar 2012

Hammer und Sichel vor Bergkulisse

Gottes eigenes Land nennen es nicht nur die Einheimischen. Berge und Hügel mit endlosen Teefeldern und bunte Blumengärten rund um Munnar zeigen das Land von seiner schönsten Seite.

Priya ist Ayurveda-Therapeutin in Chennai. Alle sechs Monate hat sie Urlaub. Elf Tage lang ist sie dann bei Ihren Eltern in Kerala, Teebauern in Munnar. Ihr Häuschen steht am Rande der Stadt, gleich dahinter endlose Teeplantagen. Die Teebüsche sorgfältig gekappt, mit Gängen dazwischen für die Erntehelfer. Diese in bunten Sasries gekleidet, pflücken die kleinsten Blätter, die beste Teequalität. Einige transportieren ihre Ernte in Körben auf dem Kopf zur Sammelstelle. Priya muss nicht arbeiten, wenn sie ihre Eltern besucht. Dennoch geht sie ihrer Mutter in der Küche zur Hand. Während die Küchenhilfe Gemüse schneidet, sucht Priya den Fisch aus, den ihr Bruder schon früh auf dem Fischmarkt gekauft hat. Fisch ist die Spezialität von Kerala, dass auch für sein gutes Essen bekannt ist.

In Munnar ist es im Februar so warm, wie während eines milden deutschen Sommers. Über 2000 Meter hoch liegt der Ort und hat immerhin über 60.000 Einwohner. Von Flughafen Madurai in Tamil Nadu sind es über vier Stunden hoch ins Gebirge. Wer Serpentinen fahren nicht verträgt, verzichtet lieber auf die Reise mit dem Auto. Die anderen werden durch atemberaubende Talblicke verzaubert und genießen bereits die Hinfahrt als grandioses Sightseeing. Während die Teeplantagen fast menschenleer sind und nur hier und dort ein Haus zu sehen ist, entfaltet sich in Priyas Heimatort das pralle Leben. Gewürz- und Teeläden reihen sich aneinander, mit grünem Kardamom, Vanilleschoten, Nüssen, Mandeln und allerlei Teesorten - schwarz, grün und weiß, aus ökologischem Anbau oder auch importiert. Draußen stehen die Wagen der Kleiderhändler. Und überall dazwischen die Plakate und Flaggen mit Hammer und Sichel. Kerala wird schon seit vielen Jahren kommunistisch regiert und steht was etwa Ausbildung und wirtschaftliche Situation betrifft, gut da in Indien. In anderen Staaten wird das häufig etwas heruntergespielt. Man will nicht wissen, dass die Kommunisten Erfolg haben.


Allerdings bemerkt man sonst wenig von den kommunistischen Machthabern. Während man in Tamil Nadu auf Schritt und Tritt gigantische Plakate mit Politikerköpfen sieht, sehen wir in Kerala vor allem schöne Frauen in teuren Saris mit Goldschmuck behängt - Reklame für Schmuckhändler. Und Shahrukh Khan, den König von Bollywood, der für eine Bekleidungsfirma in smartem schwarzen Ethno-Blazer posiert. Auch Priya ist ganz verliebt in ihn - was sie natürlich nie zugeben möchte. Wie auch ihre Schwestern wird sie bald von ihren Eltern verheiratet. Dann wird sie dort leben, wo auch ihr Mann herkommt. "Zum Glück gibt es aber noch keinen Kandidaten", schmunzelt sie. Wir verabschieden uns von Priya und ihrer gastfreundlichen Familie und begeben uns auf den Weg zu den Backwaters, den Süßwasserkanalsystem, dass nahe der Küste das Land durchzieht.


Text und Fotos: Senya Müller